nachdenken

Samstag, 20. Januar 2007

Erwachsen werden und trotzdem Kind bleiben.

Vorhin habe ich ein Kinderfoto von mir gefunden. Generell ist das relativ unspektakulär, Fotos aus vergangenen Tagen hütet ja jeder in irgendwelchen Alben oder Kisten.

Aber in meinem Fall ist das anders. Von mir wurden früher nur Dias gemacht, die heute auf dem Speicher in meinem Elternhaus unbetrachtet verstauben. Der Diaprojektor hat vor einem Jahrzehnt den Geist aufgegeben und das Projekt "Dias in Digitalbilder umwandeln lassen" wird immer wieder auf unbestimmte Zeit verschoben. Ein Fotoalbum mit den schönsten Abzügen hat mir meine Oma mal zu Weihnachten geschenkt. Ich glaube, dieses Album wäre der erste Gegenstand, den ich aus meiner brennenden Wohnung retten würde.

Auf der doch recht nüchternen Suche nach meiner aktuellen Lohnsteuerkarte fiel mir also heute wie gesagt ein einzelnes Kinderfoto von mir in die Hände. Leicht verschwommen und unschön zerkratzt zeigt dieses Foto ein kleines Mädchen in Portaitaufnahme, das den Kopf auf seine kleine Hand stützt und völlig ungewungen in die Kamera grinst. Das Grinsen verursacht Pausbäckchen und entblößt Zähne, die keine Milchzähne mehr sind und sich noch nicht so ganz in das Gesamtbild fügen wollen. Die widerspenstigen Augenbrauen passen zu den zerzausten halblangen Haaren, die mehr schlecht als recht von einem großen Haarreif gehalten werden.

Was mich berührt an diesem Foto ist nicht das Aussehen dieses Kindes, in dem ich mich nur mit Anstrengung wiedererkenne. Es sind nicht die Pausbäckchen, nicht die Stupsnase, nicht die zu großen Zähne, nicht der knallrote Pulli mit dem unschuldigen weißen Kragen. Was mich berührt ist dieser Blick. Dieses völlig zufriedene, gelöste Grinsen mit diesem darin Ausdruck findenden kindlichen Urvertrauen.
Auf der Rückseite des Fotos wurde ein Datum notiert. 11. Februar 1992. Ich war gerade 9 Jahre alt geworden.

Ich weiß, dass es auch damals schon Situationen gab, die neu waren, die angsteinflößend waren, die nicht zu bewältigen zu sein schienen. Und ich erinnere mich noch genau daran, wie ich solchen Situationen entgegengetreten bin. Ich habe von Rolf Zuckowski "Ich schaff das schon" vor mich hin gesungen und habe einfach gemacht. Einfach gemacht mit diesem kindlichen Urvertrauen und am Ende weniger mit Überraschung, als viel mehr mit Genugtuung gesehen, dass Mut belohnt wird.

Wenn ich heute in den Spiegel schaue, dann suche ich das kleine Mädchen von damals, suche nach einem Rest dieses Urvertrauens, nach dieser kindlichen Zuversicht.
Und das Schöne ist: Ich werde fündig. Immernoch. Trotz all den Jahren.

Und ich weiß, was immer eine meiner größten Herausforderungen bleiben wird: Dafür zu sorgen, dass ich niemals vor einem Spiegel stehen werde und vergeblich suche.
Rolf Zuckowski wird mich hoffentlich mein Leben lang begleiten.

Sonntag, 31. Dezember 2006

Abgeschlossen.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen,
der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten!
(Hermann Hesse, "Stufen")


Auch wenn ich den Abschluss eines Kalenderjahres nicht überbewerten will und von guten Vorsätzen, die man erst ab einem bestimmten Stichtag in die Tat umsetzen will, nicht viel halte, so ist der letzte Tag im Jahr doch immer ein symbolischer Anlass zu resümieren. Was habe ich erlebt? Was habe ich erreicht? Was habe ich verloren, was habe ich gewonnen? Wo bin ich angekommen, wo will ich hin?

Am Ende eines Jahres lassen sich Details zu einem großen Ganzen zusammenzufügen, den Kontext begreifen und Dank einer gewissen Distanz ein Fazit ziehen.

Und am Ende dieses Tages, am Ende dieses Jahres stelle ich fest, dass 2006 ein großes Jahr war. Nicht in den Details. Doch die Summe ist das Entscheidende:
Dieses Jahr hat mir gezeigt, wer ich bin.

In diesem Sinne:
Auf ins Jahr 2007! Rutscht gut!

Sonntag, 26. November 2006

Konjunktiv II. Oder: Die Wahrheit WÄRE unbequem.

Der Konjunktiv II ist das gemeinste dämlichste überflüssigste, was die deutsche Grammatik zu bieten hat.

Freitag, 24. November 2006

Achterbahn.

Als ich bei waszum vom Achterbahnfahren geschwärmt habe, muss wohl kurzzeitig das Gefühl in Vergessenheit geraten sein, das sich einstellt, wenn man glaubt ins Bodenlose zu fallen und man sich die Kontrolle wieder herbeisehnt.
Die Adrenalinausschüttung ist wohl doch erst in der Retrospektive beflügelnd. Dann, wenn man weiß, dass man unverletzt und gut gelandet ist.

Samstag, 11. November 2006

Berührt.

Irgendwo zwischen Viehmarkt und Karstadt hat sich gestern diese Erkenntnis ihren Weg gebahnt, ist in Schlangenlinien aus der Abstellkammer des Gehirns mit einem Abstecher in die Herzgegend direkt ins Scheinwerferlicht gestolpert. Nicht zum ersten Mal, doch beeindruckender denn je zelebrierte sie ihren großen Auftritt. Hatte sich zuvor nicht wegspülen lassen von den verschämten Tränen und hatte sich danach nicht vertreiben lassen von dem befreiten Lachen. Klein stand sie dort auf der riesigen Bühne, fast peinlich berührt von der Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wurde, und verkündete flüsternd:
„Ein wahrer Freund ist, wer dir im Dunkeln ein Licht anzündet.“

Sonntag, 15. Oktober 2006

Rausgewachsen.

DeDe hat hier und hier schon treffend und bewegend erzählt, wie er sich fühlt wenn er zurückkehrt in seine Heimat. Ich habe dem eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, er spricht mir aus der Seele.

Dieser Tage ist mir aber ein Lied zu Ohren gekommen, das ein paar Gymnasiasten aus Idar-Oberstein in Heimarbeit "produziert" haben und das DeDes Gedanken stützt.
Beim Refrain sollte man die Ohren vielleicht eher zumachen, aber der Rap ist höhrenswert. Genauso hatte ich es sechs lange Jahre lang empfunden und dann meine Koffer gepackt, um auszubrechen nach Frankfurt.

Hier hören: Mein Idar-Oberstein

Freitag, 15. September 2006

Die Gedanken danach.

Dem Filmstart von "Das Parfum" wurde kritisch entgegengesehen. Kaum vorstellbar, dass ein solch bewegender Roman von einem Autor, der es schafft, die Leser mit Worten in die Welt der Gerüche zu entführen und Wohlgefallen und Ekel so greifbar zu vermitteln, auch nur ansatzweise zufriedenstellend filmisch umgesetzt werden kann.

Doch man kann. Bernd Eichinger kann und Tom Tykwer kann. Und noch mehr kann Ben Wishaw, dessen schauspielerisches Talent mehr als beeindruckend ist.
Selbstverständlich hat der Film Schwächen, doch was auf dem Heimweg nachklingt ist uneingeschränkte Begeisterung. Der Film hat so sehr bewegt, dass das folgende Gespräch über die Filmbesprechung hinausgeht und geradezu philosophisch wird.

Über viele Gedankensprünge und Themenwechsel folgt zu später Stunde einmal mehr die Feststellung: Der Mensch ist ein kleines Rädchen. Ein kleines Rädchen in dem großen Getriebe der Gesellschaft, das vielleicht nicht immer Lust hat, sich im Uhrzeigersinn zu drehen, aber weiß, dass es keinen Zweck hat, sich in die entgegengesetzte Richtung zu stemmen.

Dieser Idealismus aus meiner Kindheit... Die feste Überzeugung, dass - wenn nur jeder einen kleinen Teil beiträgt - das Gesicht der Welt verändert werden kann. Der Anblick eines Obdachlosen auf der Straße oder einer einsamen alten Frau auf der Parkbank konnte mir die Tränen in die Augen treiben und mich tagelang verfolgen. Und selbstverständlich war ich überzeugt, nur einen Beruf auszuüben, mit dem man den Gang der Dinge positiv beeinflussen kann - wenn auch nur im Detail.

Heute gehe ich an einem alten buckligen Mann vorbei, der mit ärmlicher Kleidung einsam an einem Restaurant-Tisch sitzt inmitten des jungen Treibens an der "Münchner Freiheit" und mit eingezogenem Kopf all seine Konzentration der Frikadelle auf seinem Teller widmet. Ich könnte auf der Stelle vor Mitleid in Tränen ausbrechen. Aber das geht nicht. Dieser Mann hat sein Leben, ich habe mein Leben. Ich gehe um die nächsten zwei Ecken und habe den alten Mann vergessen. Weil es unangenehm ist, über ihn nachzudenken. Über ihn und darüber, welche Rolle wir eigentlich spielen, welche Funktion jedes einzelne kleine Rädchen hat, das in dem großen Getriebe mehr oder weniger eifrig mitläuft.

Man wächst auf mit Werte- und Moralvorstellungen in dem Glauben, die Welt sei wunderbar. Man wächst heran und beginnt zu begreifen, dass der Schein trügt. Dass die Menschen dank all dem unschätzbaren Wissen, das über Jahrhunderte angehäuft wurde, zwar begreifen, dass sie sich zu Grunde richten. Dass ihre Art zu leben nicht die richtige - oder sagen wir perfekte - ist und dass sie auf dem besten Wege sind, sich einzureihen in eine der vielen großen Kulturen, die am Ende sich selbst zerstörten.

Der (reflektierte) Mensch weiß all das und ergreift einen Beruf, der im Idealfall etwas Freude bringt, mindestens aber das monatliche Einkommen sichert, er erfüllt sein Leben mit Dingen, die keine Nachhaltigkeit besitzen und fragt sich, worin eigentlich der Sinn besteht. Es muss doch in einer solch fortschrittlichen Kultur um mehr gehen, als ums nackte Überleben, als um fressen und gefressen werden.
Und dann setzt er Kinder in die Welt, erzieht sie mit den noch übrig gebliebenen Werte- und Moralvorstellungen und hofft, dass sie es einmal besser machen mögen.

Sonntag, 3. September 2006

Unterwegs.

Im Zug von Stuttgart Richtung München und jede Menge Zeit für Gedanken, die ungelenkt gedacht werden, für Träume, die unzensiert geträumt werden, für Spinnereien die unausgesprochen gesponnen werden und für Pläne, die unbewertet geplant werden.

Der junge Mann auf dem gegenüberliegenden Sitz, der mit geschlossenen Augen der Musik seines mp3-Players lauscht und dessen Dreitagebart eher von Müdigkeit als von lässigem Auftreten zeugt, ist genauso wie die schicke Frau aus Österreich schräg gegenüber, die in dem schmutzigen Fenster vor der dunklen Nacht ihr Spiegelbild betrachtet und ebenso wie der Bundeswehrsoldat mit den raspelkurzen Haaren und den zittrigen Händen eine Reihe weiter hinten auf der Reise durch oder mit oder zu sich selbst. Faszinierend ist die Überlegung, wer wohl gerade welches Abenteuer erlebt – ganz für sich alleine, ohne Mitreisende.

Der Zugführer meldet den nächsten Bahnhof, die Wagen halten in Ulm. Für einen kurzen Moment kreuzen sich die imaginären Wege aller im Lauschen der Stimme aus dem Lautsprecher, um sich dann sofort wieder zu trennen und den Reiseweg einsam fortzusetzen bis zur Ankunft in München.
Und an Gleis 19 werden dann aus identitätslosen Reisenden Freunde, Geschwister, Kinder oder Partner, die begrüßt, umarmt und geküsst werden oder die auf schnellstem Wege den Ort aufsuchen, an dem vertraute Menschen darauf warten, an ihrer Reise teilhaben zu dürfen.

Freitag, 1. September 2006

Eine Etappe auf der Suche nach dem Sinn.

Wenn man sich nach einem langen Weg durchgerungen hat, sich mit dem Schicksal auseinanderzusetzen und sich mit ihm auszusöhnen, wenn man irgendwann morgens aufwacht und in der Lage ist, sich über das Prasseln der Regentropfen zu freuen und darin genauso wie in dem knapp verpassten Bus den Inbegriff des puren Lebens zu entdecken, wenn man gerade erst an diesem Punkt angelangt ist und dann erfährt, dass jetzt ein ehemaliger Mitschüler mit einer Chemotherapie gegen das Schicksal kämpft, dann fängt man an, den Glauben zu verlieren...

Donnerstag, 17. August 2006

Witness.

Darüber bin ich heute beim Surfen gestolpert und möchte es gerne teilen: Fotografische Meisterwerke von James Nachwey.
Ich möchte nicht viel dazu sagen, die Bilder sprechen für sich. Aber: Wir sollten uns öfter der Tatsache bewusst werden, wie gesegnet wir sind. Zuhause vorm Rechner mit schnellem DSL-Zugang zu sitzen, gleich ins kuschelige Bett zu kriechen und morgen primär mit dem Problem konfrontiert zu sein, keine Lust auf die Bib zu haben. Wie lächerlich.

Miss Whatever

"Das ist meine Weltanschauung, wer aber die gegenteilige hat kann weise sein, sagt der Weise. Das ist meine Weltanschauung, und wer eine andere hat ist ein Tor, sagt der Tor." (Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach, 1830 - 1916)

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