Donnerstag, 15. Juni 2006

Generation Praktikum

Deutschland - Polen = 1:0
Schön gefeiert, Grund für gute Laune. Eigentlich will ich jetzt ins Bett gehen und schlafen, weil feiern ja auch anstrengend ist. Aber ich kann nicht. Ich bin sauer.

Vor ziemlich genau einem Monat habe ich eine Petition unterschrieben die verlangt, dass Praktika von Hochschulabsolventen ab der Dauer von drei Monaten in ein reguläres Arbeitsverhältnis umgewandelt werden müssen.

Und heute werde ich selbst Opfer dieser verdammten "Generation Praktikum".

Ich hatte die mündliche Zusage für eine knapp vierwöchige Urlaubsvertretung in einer PR-Agentur während meiner vorlesungsfreien Zeit. Als ausgelernte Werbekauffrau hätte ich dort die Erfahrung angewandt, die ich in meinen bisherigen drei Berufsjahren gesammelt habe - gegen angemessene Entlohnung. Für diesen Job war ich sogar bereit, meine Stundenplan umzustellen und eine Klausur in das nächste Semester zu verschieben, da deren Termin in die angedachte Arbeitszeit gefallen wäre. Davon abgesehen habe ich absolut schweren Herzens mein Ticket für das Robbie Williams Konzert in Köln verkauft, welches ich seit Monaten stolz besessen habe und worüber ich mich gefreut habe wie ein kleines Kind. Auch der Termin dieses Konzertes war mit der angedachten Einsatzzeit in der PR-Agentur nicht zu vereinbaren. Aber was soll man tun wenn man das Geld benötigt... Man muss halt Prioritäten setzen.

Heute dann das für mich immer noch Unglaubliche:
Ich bekomme eine Absage für den Arbeitseinsatz. Nicht etwa, weil dem Chef meine Nase beim Vorstellungsgespräch nicht gepasst hätte oder weil eine besser qualifizierte Aushilfe gefunden wurde. Nein, mir wird abgesagt mit der Begründung, eine Praktikantin habe sich "bereit erklärt, die Urlaubsvertretung zu übernehmen". Ich möchte gar nicht wissen, ob - und wenn ja wie armselig - diese Person für Ihren Vollzeitjob bezahlt werden wird.

Ich bin fassungslos. Da habe ich eine mündliche Zusage, nur noch die Unterzeichung der Verschwiegenheitserklärung steht noch aus, und werde zwei Wochen nach der Abmachung und sechs Wochen vor dem Arbeitseinsatz abserviert. Mit einer Standard-Email, die aus zwei Sätzen besteht. Die Herrschaften haben sich noch nicht einmal gewagt, mich telefonisch zu informieren. Das spricht für sich.

Jetzt sitze ich hier ohne meinen Soziologieschein und ohne mein Konzertticket. Und ohne Geld.
Und da wird in sechs Wochen eine Praktikantin in einer PR-Agentur sitzen, die im besten Fall eine Woche in ihr Aufgabengebiet eingearbeitet wurde, und die für kein oder (ich wage es zu bezweifeln) sehr wenig Geld den Job übernehmen soll, für den andere professionell ausgebildet werden. Und die einen Job brauchen. Und das Geld. Und die sich fragen, ob das nach dem Studium immer so weiter gehen wird:
Vollzeit arbeiten?
Unternehmen mit noch unverbrauchten Energien weiterbringen?
Überstunden billigend in Kauf nehmen, der Karriere wegen?
Ja, all das... aber bitte mit Praktikantenvertrag.

Ach ja, und:
Bezahlt werden wollen Sie doch nicht etwa, oder?!

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Jo Pütz - 15. Jun, 06:05

Wir leben leider in einer...

Wirtschaftsdiktatur. Und wer nicht mitspielt, hat schon verloren. Die Spielregeln bestimmen diejenigen, die am Hebel sitzen...

Das, was Dir passiert ist, ist ein Skandal und traurige Realität in der Wirtschaft.

Schlichtweg eine Sauerei. Aber das mündliche Wort zählt eben nicht mehr. Und Anstand und Fairness kommen im Vokabular der Unternehmenskultur nicht mehr vor. Ersatzlos gestrichen :-(

Armes Deutschland!

DeDe - 15. Jun, 09:11

Wie armselig, wie moralisch degeneriert, wie rückratlos, wie unglaublich dreist muss man sein? Schlimm sowas, wirklich schlimm!

Miss Whatever

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